Henryk M. Broder
Henryk M. Broder
Wer, wenn nicht ich
– Henryk M. Broder
Auch als Printausgabe erhältlich
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Deutsche, Deppen, Dichter und Denker auf dem Egotrip
Aus dem Buch: Früher, also vor noch etwa zehn Jahren, wurde man und frau in der Tagesschau und den Tagesthemen informiert, manchmal auch unterhalten. Heute wird man vor allem erzogen, gnadenlos umerzogen. Wenn es nicht die Geflüchteten sind, denen man helfen sollte, indem man ihnen entgegenkommt, statt darauf zu warten, dass sie sich integrieren, dann ist es das Klima, das darunter leidet, dass wir zu viel konsumieren und zu viel unterwegs sind. Sowohl Fliegen als auch Autofahren, so hören wir es täglich, sei schlecht für die Umwelt. Für kurze Strecken, also etwa von Köln nach Bergisch-Gladbach, sollen wir das Rad nehmen, für längere die Eisenbahn.
Die Schweden, erklärt uns Caren Miosga in den Tagesthemen, seien da schon einen Schritt weiter. In Schweden mache sich „ein neues Gefühl“ breit, „flukskam“, auf Deutsch „Flugscham“, und dieses Gefühl sei „inzwischen auch bei uns gelandet“. Es beschreibe „das schlechte Gewissen, das einen befällt, sobald man so ein Transportmittel bucht“ (im Hintergrund ist eine Air-France-Maschine zu sehen, die über einem Strand voller Menschen zur Landung ansetzt), „obwohl man vielleicht auch die ungleich umweltfreundlichere Eisenbahn hätte nehmen können“.
Was mich angeht, befällt mich kein schlechtes Gewissen, wenn ich „so ein Transportmittel“ namens Flugzeug buche, im Gegenteil, ich freue mich, dass ich nicht tage- oder wochenlang über Land reisen muss, sondern nur dreieinhalb Stunden in der Luft schwebe, wenn ich von Berlin nach Reykjavik oder Tel Aviv will. Das Einzige, das mir ein Unbehagen bereitet, ist die Vorstellung, einen Platz neben Anton Hofreiter oder Luisa Neubauer zu erwischen, aber dieses Risiko ist überschaubar.
Aus dem Vorwort
Dieses Buch ist kein Blick hinter die Kulissen einer Verschwörung, es ist die Zwischenbilanz einer Einwicklung, die vor ziemlich genau vier Jahren mit der programmatischen Vorhersage einer SPD-Politikerin ihren Anfang nahm: „Wir stehen vor einem fundamentalen Wandel. Unsere Gesellschaft wird weiter vielfältiger werden, das wird auch anstrengend, mitunter schmerzhaft sein. Wir werden das Zusammenleben täglich neu aushandeln müssen.“ – Das ist inzwischen der Fall.
Das Zusammenleben wird täglich neu ausgehandelt. Zwischen den Anwohnern rund um den Görlitzer Park und den Dealern im Görlitzer Park. Zwischen den Rettungsdiensten der Feuerwehr und des Roten Kreuzes und denjenigen, die sich ihnen in den Weg stellen. Zwischen jenen, die schon länger hier leben, und jenen, die neu dazugekommen sind. Zwischen denjenigen, die vor einem Ende der Welt Angst und denjenigen, die am Ende des Monats kein Geld mehr haben.
Dieses Buch ist keine Anleitung zum Handeln, wie sie derzeit von Kreti und Pleti en masse geschrieben werden. Es ist eine Einladung zum Selberdenken, zum Misstrauen gegenüber allen Wegweisern, die sich selber nicht von der Stelle bewegen, und allen Ablasshändlern, die davon leben, dass sie Ängste schüren.
Der Autor Henryk M. Broder
Henryk M. Broder, 1946 in Katowice/Polen geboren, arbeitet seit über 60 Jahren an seiner Integration in die deutsche Gesellschaft. Ebenso wie sein ägyptischer Freund Hamed Abdel-Samad rückt auch Broder seinen Migrations-Hintergrund gerne in den Vordergrund. Inzwischen gehört er zu den tragenden Säulen der bunten, toleranten und weltoffenen Berliner Republik. Er plant, bei der kommenden Bundestagswahl mit einer eigenen Liste anzutreten: „Alte Weiße Männer, SUV-Fahrer und Vielflieger“.
Klappentext
Eine Weile dachte ich, ich will Rache nehmen. Für meine Eltern, die mich mit Geschichten aus den KZs quälten, für meine Großeltern, die spurlos verschwunden sind, überhaupt für die sechs Millionen, die an meiner Wiege standen. Im Gegensatz zur land-läufigen Meinung halte ich Rache für ein legitimes Motiv. Ich habe kein Verständnis für Eltern, die eine Stiftung zugunsten von Flüchtlingen gründen, nachdem ihre Tochter von einem Flüchtling ermordet wurde. So ein moralisches Übermenschentum ist mir verdächtig, vor allem, wenn die Eltern sich auch dagegen verwahren, dass der Tod ihrer Tochter „politisch instrumen-talisiert“ wird. Als ob sie es nicht selber tun würden.
Inzwischen glaube ich zu wissen, was der Subtext meiner Texte ist, was ich sagen will: Ihr, meine lieben Mitbürger, ihr seid Versager. Und wenn nicht ihr, dann eure Eltern und Großeltern. Sie haben mit den Juden das gleiche Pech gehabt wie die Türken mit den Armeniern.
Wenn man einen Job anfängt, muss man ihn zu Ende bringen, ein Völkermord ist kein Kindergeburtstag, den man abbrechen kann, wenn es zu regnen anfängt. Schafft man es nicht, müssen sich die Nachkommen immer wieder dafür rechtfertigen, was die Altvorderen angestellt haben. Die Sache ist doch ganz einfach: Hätten meine Eltern nicht überlebt, wäre ich nicht da, dann wäre Deutschland nicht ganz so bunt und vielfältig, wie es heute ist, dafür aber eine Spur harmonischer.
Kurzübersicht
- ISBN: 978-3-9819755-6-7
- Literarische Texte - Belletristik
- E-Book (epub)
- Auch als Printausgabe erhältlich
- Erscheinungsdatum: 1. Aufl. / 08.11.2019
- 200 Seiten
- Format: 12,5 cm x 20,5 cm, Gewicht: 300 g