Kompasslose Orientierung der Bundesrepublik

Die seit Ende 2021 absehbare russische Invasion der Ukraine hat Deutschland auf dem falschen Fuß erwischt. Dabei ging es nicht nur um die Fehleinschätzung von Putin durch das deutsche Partei-Establishment, sondern die Indisponiertheit Deutschlands in der geopolitischen Arena. So grausam der Ukrainekrieg für die Betroffenen ist, so heilsam ist der Schock für die Deutschen und ihre Parteipolitiker. Für letztere könnte es ein Harmagedon werden. Denn sie haben sich allesamt als Tölpel erwiesen. Wie gefährlich das war, hat die Moskau-Connection Schröder, Gabriel, Steinmeier u. a. gezeigt. Wie aber soll sich Deutschland in der Zukunft aufstellen? Welche Rolle für unsere Streitkräfte, die Bundeswehr? Welche Haltung zur Gewalt in der Politik? Welche Stellung für die nationale Rüstungsindustrie? Dies sind Fragen, um die sich die Politik nicht länger drücken kann. Die nachstehenden Zeilen versuchen, angesichts der kompasslosen Bundespolitik Orientierung zu geben, um die Suche nach einer Strategie für Deutschland dort zu verankern, wo sie nach Egon Bahr hingehört: bei der Definition deutscher Interessen.

Aus dem Vorwort

War die zweite deutsche Republik seit dem Wirtschaftswunder fest davon überzeugt, ihren Ehrgeiz in der Steigerung des Bruttosozialprodukts zu erschöpfen, so musste sie am 22.2.2022 erkennen, dass man zur Sicherung von Wohlstand und Freiheit zwischen Freund und Feind zu unterscheiden in der Lage sein muss. Was zu einem außenpolitischen Fiasko führte und eine eilige Ankündigungspolitik des Kanzlers im Bundestag auslöste, hat seine tieferen Ursachen in der Politikverweigerung der Deutschen, also in ihrem Unwillen, die Welt so zu sehen, was sie ist: als einen Raum, der von Feindschaft zerklüftet ist. Stattdessen hat die unheilige Allianz von BDI - mit seinen unzähligen, spießigen CDU-Vertretern - und den friedensbewegten Grünen mit ihrer ausgeprägten Bundeswehrfeindschaft und einer Außenpolitik reduziert auf humanitäre Intervention Deutschland politisch neutralisiert: Nur noch von Freunden umgeben zu sein, meinte die deutsche Parteioligarchie. Aus diesem süßen Tagtraum des Wohlbefindens hat Putin die Deutschen herausgerissen. Der „lupenreine Demokrat“ (Originalton Gerhard Schröder) hat es sich nicht nehmen lassen, jenem Land den Gashahn zuzudrehen, das ihm dümmlicherweise vertraute und das– obschon Lieferant von schweren Waffen an die Ukraine - zeitweise glaubte, er würde seine Lieferverpflichtungen einhalten. Dies ist das Summum: Im Namen des Völkerrechts direkt oder mittelbar – wenn auch mit Zögern- Waffen an die Ukraine zu liefern und gleichzeitig hoffen, dass das mit diesen Waffen bekämpfte Land dem Waffenlieferanten die Gasversorgung unter Weltmarktpreisen weiterhin gewährleistet.

Der Autor Markus C. Kerber

Der Autor ist Dr. jur., Professor für öffentliche Finanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin, Gründer von www.europolis-online.org und www.ivsg.de. Kerber ist ebenso Rechtsanwalt in Berlin, Brüssel und Paris. Er veröffentlicht Schriften zur öffentlichen Finanzwirtschaft, Unternehmensfinanzierung sowie Gesellschaftsrecht, Kartellrecht und Europarecht. Zudem führt er zahlreiche Verfassungsbeschwerden gegen die Griechenlandhilfe, EFSF und ESM sowie gegen Maßnahmen der EZB wie OMT und die Europäische Bankenunion vor dem Bundesverfassungsgericht als auch vor dem EuGH.

Leseprobe

In seiner Rede im Bundestag am 27.2.2022, drei Tage nach dem Einfall russischer Truppen in der Ukraine, sprach der Bundeskanzler von einer Zeitenwende und übte sich sogleich in jener Methode, mit der die Bundesrepublik Deutschland seit ihrer Existenz erfolgreich politische Kontroversen im Keim erstickt hat: üppige Geldzuwendungen. Die Antwort der Bundesregierung auf die völkerrechtswidrige russische Invasion ist die Schaffung eines Sondervermögens von 100 Mrd. Euro, um die Bundeswehr aufzurüsten und einsatzbereit zu machen. Hierauf bzw. auf den Placebo-Effekt dieser Ankündigung werden wir noch zu sprechen kommen. An der Entfremdung der Deutschen von ihren Streitkräften und der fehlenden Einsatzbereitschaft der Bundeswehr wird diese Ankündigungspolitik nichts ändern, sofern nicht auch der Wehrgedanke gestärkt wird. Dass 100 Mrd. Euro schlagartig zur Verfügung standen, um die deutschen Streitkräfte einsatzbereit zu machen, ist auch eine Beichte an die Nation: Unsere Armee kann gegenwärtig Deutschland nicht verteidigen.

Kurzübersicht

• ISBN: 978-3-9820256-4-3
• Sachbuch
• deutsche Ausgabe
• Printausgabe Softcover
• Erscheinungsdatum: 1. Aufl. / 01.11.2023
• 68 Seiten
• Format: 11,5 x 19 cm